Palma de Mallorca, 08.07.1999

gau. Ein Ritual ist zum Dauerbrenner geworden in den letzten fünf Tagen in der Sporthalle neben dem Stadion Son Moix von Palma de Mallorca. Die deutschen Volleyballer zelebrieren mit dem Dutzend Kollegen aus dem Universiade-Team, das die Partien regelmäßig auf der Tribüne verfolgt, die Welle. Denn die langen Kerls von Bundestrainer Stelian Moculescu eilen auf den Balearen von Sieg zu Sieg.

Was nicht unbedingt vorhersehbar war. Denn in den vergangenen beiden Jahren setzte es in der Mehrzahl Niederlagen für das Team um Kapitän Stefan Hübner vom SC Charlottenburg Berlin. Deshalb entschloß sich Moculescu nach der verpaßten Qualifikation für die Europameisterschaften dazu, die Studenten-Spiele auf Mallorca zu einer Art psychologischen Therapie für die angeknacksten Seelen seiner Schützlinge zu nutzen. Mit durchschlagendem Erfolg. Souveräner als die Deutschen - nur ein Satzverlust beim 3:1-Erfolg gegen Brasilien - qualifizierte sich nur Rußland fürs Viertelfinale. Die Russen gewannen alle fünf Spiele mit 3:0.

"So war das die ganzen letzten Monate nicht mehr", staunt Hübner selbst über die eigenen Auftritte, "wenn man in solch einen Rausch kommt, geht man mit einem ganz anderen Selbstbewußtsein aufs Feld." Vom Niveau her sei die Universiade zwar kein Ersatz für die verpaßte Europameisterschaft, wo sich die "Creme de la Creme" des Volleyballs treffe. "Aber wir sind bei einem größeren Ereignis dabei", freut sich der 24jährige, "das ist zumindest ein kleiner Saisonhöhepunkt."

Für den Bundestrainer hat die Studenten-Olympiade inzwischen einen "hohen Stellenwert". Das war nicht immer so. Vor zwei Jahren durfte Zuspieler Axel Jennewein nicht mit zur Universiade nach Sizilien fahren, weil Moculescu als Vereinscoach des VfB Friedrichshafen dagegen war. Jetzt äußert der ehemalige rumänische Nationalspieler sein Unverständnis darüber, daß ihm aus dem A-Kader die Friedrichshafener Marc Siebeck und Holger Kleinbub wegen Klausurterminen fehlen. Immerhin, acht gestandene Nationalspieler befinden sich unter den zwölf nominierten Akteuren.

Unter ihnen machte Silvio Schultze, wie Hübner beim SC Charlottenburg aktiv, in Palma den größten Sprung nach vorne. "Er war zuvor ein Wackelkandidat in der Nationalmannschaft, aber bislang hat er seine Chance hier sehr gut genutzt", freut sich Co-Trainer Michael Warm, der wie sieben der Spieler aus Berlin stammt und hauptamtlich den männlichen Nachwuchs der Volleyballer betreut. Auf Mallorca ist er für die statistische Auswertung der Partien zuständig und führt akribisch über jede Aktion der deutschen Akteure buch.

Schultze habe bislang "sehr gute Quoten" erreicht, bei der Annahme und im Angriff, lobt Warm. Und die durchweg starken Auftritte des deutschen Teams führt der 31jährige Herr der Zahlen auf die "überragend gute Annahme" zurück. Das liege zum einen daran, daß man gerade dies in der Woche vor Turnierbeginn sehr viel geübt habe. Zum anderen sei man auf noch "keinen Gegner mit extrem guten Aufschlägen getroffen".

Das könnte sich heute im Viertelfinale gegen Belgien, das den Sieg in der Gruppe C durch ein unglückliches 2:3 gegen die USA nur knapp verpaßte, ändern. Denn auch die Belgier sind fast mit der kompletten A-Nationalmannschaft nach Mallorca gereist. Ein "ganz schweres Spiel" erwartet denn auch Disziplinchef Gerd Westphal, der von einem Platz unter den ersten Fünf träumt. Denn bislang ist der sechste Rang von Sheffield 1991 für die deutschen Volleyballer die beste Universiade-Plazierung aller Zeiten.