Kaiserslautern, 27.04.1998

gau. Als Held ist Olaf Marschall wirklich ungeignet. "Fußball-Gott", fragte der Torjäger vom Tabellenführer 1. FC Kaiserslautern skeptisch, als er auf die Gesänge im Fritz-Walter-Stadion angesprochen wurde. Und zuckte dann etwas ratlos mit den Achseln: "Na ja, wenn die Leute zufrieden mit mir sind."

Zufrieden? Viele der 38 000 Zuschauer auf dem Betzenberg schrien, jubelten, weinten, als Marschall beim 3:2 über Borussia Mönchengladbach in der 90. Minute das entscheidende Tor erzielte. Aber der ganze Rummel um seine Person ist dem 32 Jahre alten Marschall offensichtlich eher peinlich. Wäre Marschall Mittelstürmer bei irgendeinem Kreisligaklub und klopften ihm ein paar Freunde beim Pils im Klubhaus auf die Schulter, dem ruhigen Lockenkopf wäre wahrscheinlich wohler in seiner Haut.

Aber Marschall hat mit seinen drei Treffern gegen Mönchengladbach erstens einen Traditionsverein höchstwahrscheinlich in die zweite Liga befördert und zweitens den Lauterern den Weg zum Titelgewinn entscheidend geebnet. Was wiederum statt lediglich ein paar Trinkgenossen in irgendeiner Dorfkneipe viel mehr Menschen interessiert.

Unangenehm für einen wie Marschall, dem alles, was seinen Beruf betrifft, äußerst lästig zu sein scheint. Außer der Arbeit auf dem Platz. Die verrichtet er mit einer Perfektion, die kaum zu steigern ist. 17 Saisontreffer hat Marschall nun auf dem Konto, bei gerade mal 21 Einsätzen wegen einer viermonatigen Verletzungspause.

Daß er jetzt ein nach dem 0:2-Rückstand fast schon verlorenes Spiel praktisch im Alleingang aus dem Feuer riß, löst bei einem wie Marschall trotzdem keine Euphorie aus. Der 58 Jahre alte Trainer Otto Rehhagel, der bereits etliche Titel gewonnen hat, faßte sich nach dem 3:2 in der letzten Spielminute ungläubig in die Haare, tanzte und hüpfte.

"Wir haben ja den Olaf, bei dem weiß man nie, wieviel Tore er macht", sagte Mannschaftskollege Andreas Buck nach der Partie. Marschall selbst dagegen erklärte nach dem Duschen emotionslos: "Sicher ist das heute etwas Besonderes für mich. Aber ich bin halt nicht der Typ, der das zeigen kann."Und die Torjägerkanone, wollte jemand wissen, wäre die ein persönliches Ziel? "Ja, Gott", kommt als Antwort, "das Wichtigste ist, daß wir Meister werden."

Zwar ergab die jüngste Umfrage des Aktuellen Sport-Studios, daß zwei Wochen vor Saisoende 70 Prozent der Zuschauer an einen Titelgewinn des Aufsteigers glauben. Zudem lobte Gladbachs Trainer Friedel Rausch: "Diese Mannschaft mit diesem Willen und diesem Publikum ist für mich als Meister gesetzt." Und Weltmeister Guido Buchwald versicherte, "nach diesem Spiel glaube ich, daß Kaiserslautern Meister wird". Auch die Spieler spüren, daß sie sich ihrem großen Ziel nähern. "Man träumt so vor sich hin. Irgendwann werden Träume wahr", sagte Martin Wagner.

Aber Marschall traut dem Braten eben nie so recht. "Solange wir nicht das große runde Ding in den Händen halten, können alle erzählen, was sie wollen." Marschall muß die Meisterschale selbst spüren, um an das Wunder von der Pfalz zu glauben, seine Zurückhaltung wirkt nicht aufgesetzt.

Zu oft schon schien der laut Rehhagel "fußballerisch stärkste Stürmer der vier WM-Kandidaten" zu Höhenflügen anzusetzen. Und zu oft landete er nach einer der zahlreichen Verletzungen, die die Karriere des Sachsen begleiteten wie seine Tore, wieder unsanft auf dem Boden.

Und er erhält neue Konkurrenz in der kommenden Saison, Uwe Rösler (29) wechselt von Manchester City (England) zurück in die Bundesliga. Vielleicht klappt's vorher mit dem internationalen Fußball. Nicht erst in der Champions-League, sondern schon im Sommer mit der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft.

"Der Bundestrainer entscheidet am 11. Mai", ist Marschall - natürlich - auch bei diesem Thema zurückhaltend, "ich hoffe, daß ich meinen Teil zur Nominierung beigetragen habe." Sein Trainer wird deutlicher. Daß nicht immer nur die Leistung zähle, erklärte Rehhagel, habe er dem Olaf gesagt. Er müsse in jedem Spiel drei Tore machen. Gegen Gladbach hat er damit angefangen.

Und doch warnt Rehhagel: "Es gibt nichts zu feiern. Sollten wir in Bielefeld gewinnen, haben wir mit dem Heimspiel gegen Wolfsburg das erste Endspiel um den Titel."