Von Harald Gaubatz


Mannheim, 18.04.1998

Die Bilanz ist beeindruckend. 15 Play-off-Spiele in Folge haben die Mannheimer Adler nun schon gewonnen, das gab's noch nie im deutschen Eishockey. Nach dem Sturmlauf zur Meisterschaft in der letzten Saison steht der Titelverteidiger nun nach sechs Erfolgen über Düsseldorf und Frankfurt zum zweitenmal hintereinander im Finale gegen die Berliner Eisbären.

Ein furioser Endspurt, der täuscht. Vorher gab es eine Berg- und Talfahrt.

Daß die Runde nach der Meisterschaft immer die "absolut schwierigste Saison" ist, wie sich Manager Marcus Kuhl ausdrückte, merkte man nicht nur auf dem Eis. So wurde das Trio gesprengt, das die Anhänger nach dem Titelgewinn 1997 noch als "Vater des Mannheimer Eishockey-Wunders" feierten. Seit Mitte März steht der ehemalige Geschäftsführer Dirk Brugger, der die Sanierung des fast bankrotten Altvereins Mannheimer ERC durch die Adler GmbH vor knapp vier Jahren mit in die Wege leitete, beim Ligakonkurrenten in Köln unter Vertrag.

Immerhin, die "Zwillinge", wie Kuhl und Trainer Lance Nethery genannt werden, weil der Coach nach eigener Aussage "mehr Zeit mit Marcus verbringt als mit meiner Frau", konnte nichts erschüttern. Als Mitte der Vorrunde immer klarer wurde, daß sich die beiden nach drei Jahren sensationell guter Personalpolitik diesmal bei den Neuzugängen vergriffen hatten, wurde eben aufgeräumt im Spielerkader. Ohne großes Tamtam, aber konsequent.

Denis Chassé, der neben den enttäuschenden Darbietungen auf dem Eis auch sein Reihenhaus in Mannheim-Käfertal in renovierungsbedürftigem Zustand zurückließ, wurde gegen den weit stärkeren Mike Hudson von den Augsburger Panthern eingetauscht. Daniel Marois war nicht der erhoffte Torjäger, der für ihn verpflichtete Ron Pasco ist immerhin der bessere Mannschaftsspieler. Und Darren Rumble fehlte in Mannheim der amerikanische Alltag. Für ihn wurden Chris Felix und Mike Posma geholt, sie erwiesen sich als solide Verteidiger.

An Gordon Hynes hielten die Adler zurecht fest. Er bot in den Play-off-Spielen überzeugende Leistungen.

"Play-off ist eben etwas anderes", versucht Kuhl den extremen Wandel gar nicht erst zu erklären. Nethery gibt zu bedenken, daß "die Saison sehr lang war". Da leidet die Konzentration, die Adler wirkten phasenweise ausgebrannt, was wiederum die sportliche Führung zum Teil selbst verschuldet hatte. Zum Pflichtprogramm mit DEL-Marathon und Europaliga absolvierten die Mannheimer schon vor der deutschen Saison zwei Turniere in Japan und traten zwischen Weihnachten und Neujahr, als sich die Konkurrenz erholte, beim Spengler-Cup in Davos an.

Ein wahnwitziges Programm, vor allem für die Nationalspieler, die nebenher noch mit den Auswahlteams unterwegs waren. Ausgelaugte Cracks und viele Verletzte waren die Folge, am Ende der Meisterrunde kam mit sechs Niederlagen in den letzten sieben Partien der völlige Einbruch. Daß die so gerupften Adler in den Play-offs aufstiegen wie Phönix aus der Asche, hat verschiedene Gründe.

"Der erste Sieg gegen Düsseldorf gab enorm viel Selbstvertrauen", sagt Nethery, "seit den Play-offs spielen alle sehr einsatzfreudig, und uns steht wieder fast der komplette Kader zur Verfügung." Auch in Berlin fehlen nur Dahlström (Daumenbruch) und der gesperrte Serikow. Sogar Cimetta, erst am 6. April am Meniskus operiert, hat wieder mit dem Eistraining begonnen.

Dementsprechend optimistisch gehen die Adler in die Endspielserie. Nethery erklärte die Berliner Eisbären zwar zum "deutlichen Favoriten" und bezeichnete es als "großes Problem, zuerst in Berlin antreten zu müssen". Im kleinen Kreis war er sich nach dem Halbfinaltriumph über die Frankfurter Lions jedoch nicht sicher, ob der Heimvorteil eine Rolle spielt. Und er sagte auch: "Wir wissen, was es bedeutet, Meister zu werden."

Aus der Sicht von Bernd Schäfer, umstrittener Chef der Deutschen Eishockey-Liga, stimmt bei beiden Rivalen jedenfalls "rundum alles. Mit Leidenschaft, klugem Sachverstand und großer Cleverneß haben sie sich kontinuierlich zu den Vorzeigeklubs der DEL entwickelt"