Palma de Mallorca, 12.07.1999

gau. Als die deutschen Fußballer 1984 bei der Europameisterschaft in Frankreich frühzeitig die Segel streichen mußten, hatte die Stunde für Bundestrainer Jupp Derwall geschlagen. Häuptling Silberlocke verzog sich gekränkt in die Türkei und Franz Beckenbauer, die vielzitierte "Lichtgestalt" der germanischen Kickkultur, kam, sah und siegte bei der WM in Italien sechs Jahre später.Die Lage der Volleyballer aus Alemania zu Beginn des Jahres 1999 war weitaus prekärer. Denn bis vor nicht allzu langer Zeit reihte sich unter Bundestrainer Olaf Korbmann Niederlage an Niederlage, was letztendlich sogar die Teilnahme an der diesjährigen Europameisterschaft kostete.

Doch vor zwei Monaten kam Stelian Moculescu, sah ein Team in einer desolaten psychischen Verfassung und siegte nun mit den vor kurzem noch total frustrierten langen Jungs bei der Universiade in Palma de Mallorca. Schon beim 3:1 im Halbfinale gegen Titelverteidiger Korea kam Gerd Westphal aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. "Was hier abgeht, das gibt´s eigentlich gar nicht. Das ist nicht zu fassen", murmelte der Disziplinchef des "allgemeinen deutschen hochschulsportverbandes" adh ungläubig vor sich hin.

Nach dem 3:1 (25:19, 22:25, 25:18, 25:15) im Finale gegen Japan konnten dann selbst die Spieler nicht mehr verstehen, was in der Halle von Son Moix in den vergangenen zehn Tagen eigentlich abgelaufen war. "Wir haben alle weggehauen", staunte 2,05 Meter-Hüne Silvio Schultze vom SC Charlottenburg Berlin wie ein kleines Kind, "das ist für mich selbst unbegreiflich." Und Co-Trainer Michael Warm merkte fast ehrfürchtig an: "Stelian Moculescu, das ist ein bißchen der Beckenbauer des Volleyballs."

Womit er seinem Chef Unrecht tat. Denn während der jetzige Bayern-Präsident nur den vorübergehend etwas schwächelnden Fußball-Giganten Deutschland wieder auf Vordermann brachte, schuf "Magier" Moculescu ein wahres Wunder. Der Gewinn der Goldmedaille auf Mallorca war nach dem WM-Triumph der DDR vor 29 Jahren nämlich erst der zweite internationale Titel in der Geschichte des deutschen Volleyballs.

Vom Stellenwert her ist eine Studenten-Olympiade zwar nicht mit Welt- oder Europameisterschaften zu vergleichen. "Aber", betonte Moculescu, "wir haben hier nicht gegen Pflaumen gewonnen, sondern sehr gute Spiele gezeigt." Womit er zweifellos recht hat. Denn außerhalb Europas definiert sich Sport meist über den Hochschulsport. Dementsprechend genießt die Universiade vor allem in Asien und Nordamerika
einen ungleich höheren Stellenwert als hierzulande. Vor zwei Jahren auf Sizilien etwa kamen die deutschen Volleyballer über einen 17. Rang nicht hinaus.

"Diese Mannschaft hat soviel verloren in den letzten Jahren", wundert sich Warm über das Phänomen Moculescu, "und dann kommt dieser Mann und sie gewinnt." Erfolgsmensch Moculescu, ein ehemaliger rumänischer Nationalspieler, der sich während der olympischen Spiele 1972 in den Westen absetzte und heute erstaunlicherweise perfekt und ohne jeglichen Akzent deutsch spricht, hat in seiner neuen Heimat 18 nationale Titel gehamstert. Davon je fünf Pokalsiege und Meisterschaften als Coach. Wie selbstverständlich wurde auch der VfB Friedrichshafen, den der Honorartrainer des Deutschen Volleyball-Verbandes momentan hauptamtlich betreut, gerade wieder Meister.

"Ihm glaubt man einfach, was er sagt", hat Warm in den letzten Wochen verwundert festgestellt, "und je mehr Erfolge er hat, desto größer wird natürlich seine Ausstrahlung." So staunt selbst Marco Liefke, Ausnahmevolleyballer vom SC Charlottenburg, dem sie als erstem Deutschen den Sprung in die italienische Profiliga AUNO zutrauen: "Moculescu hat ein Auge für technische Schwächen der Spieler, wie ich es bisher noch nie erlebt habe."

Zudem vertrete der 49jährige eine "sehr, sehr gute Philosophie", lobt Warm. "Moculescu", verdeutlicht er, "reduziert das Spiel letztendlich auf das, was wichtig ist. Und er hat die Fähigkeit, das Wichtige zu erkennen, sowie die Geduld, es zu vermitteln." Im Volleyball gebe es tausend verschiedene Situationen, aber Moculescu trainiere "nur den Normalfall, den will er meistern."

Dieser "Normalfall" trat auf Mallorca so häufig ein, daß im Hotel "Sol Jamaica" in Magaluf, dem Quartier des deutschen Universiade-Teams, eine Nacht lang der Ausnahmezustand ausgerufen wurde.