Ouagadougou. (gau) Das Trikot mit der Nummer neun zu tragen ist in Kameruns Nationalmannschaft seit knapp acht Jahren etwas ganz besonderes. Im Sommer 1990 unterbrach Roger Milla sein "Rentnerdasein" als Kicker auf der Insel Réunion, dem kleinen französischen Überseedepartement zwischen Madagaskar und Mauritius, um Kamerun bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Italien ins Viertelfinale zu schießen. Seitdem umgibt das grüne Leibchen mit der Neun ein Mythos.

Alphonse Tchami scheint mit der Bürde klarzukommen. Der Stürmerstar von Bundesliga-Aufsteiger Hertha BSC Berlin sorgte dafür, daß beim Eröffnungsspiel der 21. Afrikameisterschaft in Ouagadougou die schlechtere Mannschaft gewann. Denn Gastgeber Burkina Faso war, nach vorne gepeitscht von gut 30.000 Zuschauern im eigens für den Nations-Cup gebauten "Stade du 4 Aout", die dominierende Mannschaft. Doch Tchami nutzte eine der wenigen Chancen Kameruns zum Siegtreffer für den WM-Teilnehmer (20.).

"Dass ich das erste Tor des Turniers geschossen habe, freut mich natürlich besonders", genoß der 26jährige den großen Rummel nach Spielschluss sichtlich. Denn allzuviel Glück hatte er bislang nicht, was seine Nationalmannschaftskarriere betrifft. 1990 von Trainer Valery Nepomniachi für den Kader nominiert, der in Italien für Furore sorgte, verletzte sich Tchami kurz vor der Weltmeisterschaft. 1994, beim WM-Erstrundenaus in den USA, wurde er nur einmal eingewechselt.

Und 1996 folgte das Desaster beim Afrika-Cup, als Kamerun nach einer wegen Finanznöten katastrophalen Vorbereitung schon nach den Gruppenspielen geschlagen aus Südafrika abreisen mußte. Die gut drei Millionen Mark, die der Fußball-Verband für die WM-Teilnahme in den USA eingesteckt hatte, waren in dunklen Kanälen versickert.

Auf Vereinsebene machte Tchami die für Afrikaner übliche Ochsentour durch. In der zweiten Liga bei Carl-Zeiss Jena fiel er Duisburgs Trainer Ewald Lienen auf. Lienen empfahl ihn an den ehemaligen Gladbacher Mitspieler Alan Simonsen weiter, der Vejle BK in der dänischen Heimat trainerte. Von dort wechselte Tchami nach Odense, von wo aus er für 1,7 Millionen Dollar zum Maradona-Klub Boca Juniors transferiert wurde und mit spektakulären Leistungen einen Run der argentinischen Erstligisten auf afrikanische Spieler auslöste. Die Fans von Argentiniens populärstem Verein dichteten sogar die Hymne auf ihr Idol Diego Maradona um. Zu Ehren Tchamis skandierten sie fortan "Ole, ole, ole, Negro".

Was noch fehlt, ist der Durchbruch in der Nationalmannschaft. Deshalb wirbt Tchami auch für Verständnis dafür, daß er seinem Verein in den ersten vier Wochen nach der Winterpause fehlt. "Ich bin nunmal Nationalspieler", erklärt er, "und für jeden Fußballer ist es das Größte, bei einer Weltmeisterschaft dabeizusein." Beim Afrika-Cup zählt er sein Team zwar zu den Mitfavoriten, setzt aber klare Prioritäten: "Die Begegnungen hier sind vor allem eine gute Vorbereitung auf die WM in Frankreich."

Dass die Berliner ihm die Abwesenheit übel nehmen, glaubt Tchami nicht. "Ich denke", meinte er lächelnd in Richtung Jürgen Röber, "der Trainer wird glücklich sein, wenn er hört, dass ich ein Tor geschossen habe."